Das Buch zum Blog

Dieser Blog ist eine intime Autobiografie der 34-jährigen Protagonistin des gleichnamigen Buches: "ich-kinderlos.de".
Das Buch ermöglicht Einblicke in das Leben dieser jungen Frau. Sie nimmt sich an einem traurigen Sonntag im Juli vor: innerhalb von 30 Tagen etwas dauerhaftes, etwas bleibendes zu erschaffen. Sie ist kinderlos und hat kaum noch Familie. Was bleibt, wenn sie von dieser Erde geht?
Eine spanndende Reise durch Selbsterkenntnis und Motivation. Ob es ihr gelingt?

Dieses Buch nimmt ab August 2017 am Amazon.de Kindle Storyteller Wettbewerb teil.

Empfohlener Beitrag

Tag 1 / 30 - Begrüßung

Hallo, mein Name ist Dora Nora Fabian. Ich bin 34 Jahre alt. Ich starte diesen Blog um mein Leben zu dokumentieren. Wozu? Das weiß i...

Dienstag, 18. Juli 2017

Tag 10 / 30 - Überraschendes Gedankenfutter

Hallo,

heute habe ich unfreiwillig eine herrliche Auszeit nehmen können. Ich wurde doch glatt zum Feierabend gezwungen. Zum Glück.
Da ich plötzlich nicht wußte, was ich mit der freien Zeit anfangen sollte, beschloss ich nichts zu tun. Ich fuhr in die Sauna und tat nichts.
Naja - außer Schwitzen und nachdenken. Danach war ich noch ein Stündchen bei meinen Eltern. Mein Vater ist ein rationaller Denker, er half mir, mich etwas zu sortieren.

Heute habe ich erfahren, dass ein Kollege nicht wieder kommen wird. Dies bedeutet, ich hätte die Chance dauerhaft ein sehr aufregendes Leben zu führen.
Ein Leben mit vielen Kindern, die jeden Tag aufs Neue mit mir ihr Leben verbringen.

Will ich das?
Wo stehe ich jetzt?
  1. 34 Jahre alt (oder jung)
  2. keine Beziehung
  3. keine Wohnung
  4. kaum noch Familie
  5. keine Freunde
  6. keine Idee, was ich beruflich sonst machen könnte
  7. keine eigenen Kinder
  8. keine Hobbys
  9. keine Zukunftspläne
Oh, man. Das klingt ja mega düster.
Ich muss das mal genauer betrachten.
also: 

zu 1.) 34 Jahre ist doch noch mega jung. Soviel steht fest. Menschen werden heute im Durchschnitt 88 Jahre alt. 

zu 2.) In den letzten Tagen ist mir klar geworden, dass ich ziemlich absichtlich keine Beziehung eingegangen bin. Ich hatte scheinbar Angst vor Nähe und Familienwunsch. Ich möchte aber sehr gern Familie leben. Seitdem mir das etwas klarer geworden ist, kann ich den Job hier im Kinderheim nochmal anders angehen. Hier habe ich die Chance kleinen Menschen eine Art von Ersatzfamilie zu bieten. Ist das nicht eine wunderbare Fügung des Schicksals? Ich kann keine Kinder haben, aber fließe über vor Familienfreude. Sie haben zwar Eltern, diese können es aber nicht leisten sich um ihre Kinder zu kümmern. Wie sagt man so schön? Eine WIN-WIN SItuation.

zu 3.) Unsere Wohnung gab ich auf, als ich von Lars weg zog. Das blöde WG Zimmer, war in der Erzieherausbildung ein passender Rückzugsort, da ich nicht dauerhaft bei meinen Eltern leben wollte. Jung und alt geht nicht in allen Phasen des Lebens gut. Aber der räumliche Abstand half uns sehr uns anzunähern. Inzwischen verstehen wir uns richtig gut und ich bin gern bei ihnen zu Besuch. Ich wohne nun seit 2 Monaten in einem kleinen Zimmer im Kinderheim. Es war eine Notlösung, die nicht mehr lange funktioniert - da selbst die gesündeste und kräftigste Pflanze in diesem dunklen Loch verkümmern würde.

zu 4.)  Mein Opa ist nun verstorben. Jetzt gibt es nur noch mich und meine Eltern. Das ist ein Fakt. Sobald ich aber hier im Hause leben würde und diese Erzieherstelle übernehme, hätte ich auf einen Schlag eine Großfamilie. Viele Kinder in unterschiedlichen Konstellationen mit Geschwistern, Eltern und Großeltern. Ich hätte die Hauptverantwortung und würde mit diesen Kindern Jahre des Aufwachsens erleben können. Das wäre mehr Familie, als manche jemals erleben werden.

zu 5.) Das ist ein interesanter Punkt. Seitdem ich wieder hier im Ort lebe und aus Bochum geflohen bin, habe ich mich nicht um alte oder neue Menschen in meinem privaten Umfeld bemüht. Ich bin wie mit Scheuklappen durch die Erzieherausbildung und konnte echten Kontakten aus dem Weg gehen. Sogar mit meinen zwei Mitbeohnern baute sich keine Beziehung auf. Irgendwie hatte ich gar nicht gemerkt, wie konsequent ich Einsamkeit lebte. Der tägliche Kontakt mit Kollegen und Kindern ist so lebhaft, dass mir auch hier im Job keine private Freundschaft fehlte. Jedenfalls bis jetzt.
Diesen Punkt müßte ich mal genauer betrachten. Will ich auch zukünftig keine Freunde?

zu 6.) Innerhalb meiner Erzieherausbildung, die ich mit 30 begann, konnte ich in unterschiedliche Arbeitsfelder schnuppern. Ein Praktikum jagte das nächste. Ehrlich gesagt, fand ich Kita und Hort viel zu laut. Der tägliche Geräuschpegel hat mich massiv Nerven gekostet. Die Einsätze in Wohngruppen gefielen mir immer am Besten. Mit den Jugendlichen etwas weniger als mit den kleineren. Die kommen oft vorbehaltlos zum Kuscheln und Trösten. Das gefällt mir. Wahrscheinlich hatte ich hier heimlich meine inneren Beziehungsspeicher gefüllt. Ich gehe in enge und verbindliche Beziehung mit den Kindern auf meiner Arbeit. Interessant. Also möchte ich doch Beziehungen leben. Wirklich spannend, wie ich es geschafft habe, Beziehungen mit Kindern zu pflegen und Erwachsenen aus dem Weg zu gehen. Beruflich kommt für mich deshalb keine Kita oder Hort in Frage. Ich arbeite gern hier im Träger. Die Art der Einrichtung gefällt mir einfach sehr und ich mag die Kollegen und Kinder.

zu 7.) Das ich niemals Mutter werde, habe ich begriffen. Wenn ich daran denke, spüre ich Tränen in den Augen. Ich glaube, es wird immer ein Wunsch bleiben selbst ein Baby zu haben. Es zu pflegen, zu lieben und groß zu ziehen. Ein eigenes Babay von Anfang an begleiten. Mit allen langen Nächten und schlaflosen Wochen. Mit allem was dazu gehört. Ein Wesen, das man von Anfang an begleiten und lieben darf. Ein Wesen, welches einen auch liebt.
Das es dies nie für mich geben wird, macht mich unendlich traurig. Ich weiß wirklich nicht, ob sowas jemals überwunden werden kann.

zu 8.) Was sind eigentlich Hobbys? Ich behaupte immer, ich hätte keine. Aber stimmt das auch? Meine heimlichen Vorlieben für Basteleien und herzliche Vorbereitungen lebe ich seit meinem Erzieherinnendasein voll aus. Ich tusche und klebe. Ich stricke, häckel und nähe. Ich baue und hämmere. Ich knete Teig und töpfere Gefäße. Wir gärtnern und kochen und backen. Ich organisiere Feste und Überraschungen. Irgendwie mache ich den ganzen Tag Dinge, die mir Spaß machen. Brauche ich da noch ein Hobby?
Hätte ich mit 20 schon gewusst, wie beglückend es für mich ist mit Kindern zu arbeiten und ihre Krativität zu unterstützen, hätte ich die Ausbildung schon viel früher gemacht.
Was ist mein Hobby? Sauna vielleicht. Ich liebe es mich der Hitze hinzugeben, bis ich vollkommen ermattet kaum noch zu Fuß bis unter die Dusche komme. Die absolute Erschöpfung trägt mich dann gerade noch bis zur nächsten Liege, auf der ich sofort liegen bleibe. Alles dreht sich. Die Haut dampft noch weiter, während mein Kopf wirr herumwirbelt. Meine Zunge trocken. Meine Ohren rauschen. Alles schnuppert herrlich nach feuchten ätherischen Duftresten. Grenzerfahrung pur. Ich behaupte einfach beim nächsten Mal, wenn ich gefragt werde: Mein Hobby sei - in die Sauna zu gehen.

zu 9.) Meine Zukunft:
Tja. Was soll ich dazu sagen?
Rein familiär sieht es düster aus. Wir sind Dinosaurier. Die Gattung Familie Fabian wird aussterben. Unglaublich. Ich schreibe es, aber ich begreife es nicht in allen Einzelheiten. Vielleicht muss ich das ja gar nicht. Es kommt ja sowieso. 
Ich habe aber ein Leben. Jetzt. Und ich habe beschlossen es zu leben. Jetzt.
Ich habe meinem Opa auch versprochen eine neue Geschichte zu schreiben. Eine, die mich oder jemand anderes ebenfalls eine Weile begleitet. So wie meine Kindergeschichte ihn viele Jahre begleitet hat. Meine Zukunft?
Ich kann im Moment nur sagen, was ich nicht mehr will. Alleine sein.
Ich will Familie. Jetzt.

Meine Eltern haben etwas Sorge, dass ich mich selbst ganz vergesse, wenn ich nur noch im Kinderheim lebe. Natürlich nehme ich ihre Hinweise ernst. Ich werde genau überlegen, ob ich es mache oder nicht.

Ich weiß morgen sicher mehr...

Adieu